22.04. ‐ 27.04.2025
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8 Fragen an Helmut Herbst - Produzent von „Es geht ein dunkle Wolk herein“

Helmut Herbst, die Ikone des deutschen Undergroundfilms, war für Produktion und Schnitt bei dem Heimat - Dokumentarfilm "Es geht ein dunkle Wolk herein"  verantwortlich. Als emeritierter Filmprofessor der HFG Offenbach ist Helmut Herbst neben seiner Liebe zum Odenwald auch mit der Rhein-Main Region eng verbunden.


"Es geht ein dunkle Wolke herein"  ist als Wettbewerbsfilm in der Sektion Regionaler Langfilm zu sehen.


1. Wohnort: seit 34 Jahren im Brombachtal-Birkert im Odenwald.

2. Was hat Sie dazu bewogen, einen Film über eine Bauernfamilie im Odenwald zu drehen, die ihre landwirtschaftliche Arbeit noch wie vor 50 Jahren verrichtet?

Ich habe diesen Film nicht „gedreht“ sondern mit Auswahl und Interpretation des vorgefundenen Materials, und von diesem Moment an auch als Produzent, die Verantwortung für die gesamte Postproduktion übernommen. Kameramann und Initiator des Films  war Oliver Wörner, der damals „zwei Häuser weiter“ mein Nachbar war und mir eines Tages im Frühsommer 2018 30 BluRays mit von ihm aufgenommenem Filmmaterial über den Odenwald und die Hübners von den Pfälzer Höfen auf den Arbeitstisch legte. Er hatte schon fast zwei Jahre an seinem Projekt gearbeitet und war mit seinen ersten Versuchen, das Material zu  strukturieren und einen Film daraus zu machen, gescheitert. Es war dieser heiße Sommer 2018, und ich war glücklich, in meinem kühlen Keller- Büro zu sitzen und das ganze Material einen Monat lang zu sichten. Danach entstand in monatelanger Arbeit mit der Hilfe eines Diktiergerätes ein Schnittkonzept, das in einem etwa hundert Seiten umfassenden Manuskriptes die ausgewählten Takes mit Seriennummer, Timecode und Montagevorschlag benannte.

Dreh- und Angelpunkt dieses Schnittkonzeptes, das sich schnell als funktionstüchtig und belastbar erwies, war die Idee, den Kameramann als handelnde Person in einen dokumentarischen Film mit Spielfilmlänge ohne Kommentar und „talking heads“ einzubetten. Es gab zwar viele Takes mit off-Texten des Kameramannes, aber es fehlten Aufnahmen von ihm. Die wurden von Oli Wörner und dem zweiten Kameramann Sebastian Rapp nachgedreht. Wie gut das funktioniert hat, sieht man z. B. an der Sequenz mit dem Hornissennest. In Olis Material gab es nur die Hornissen, auf meine Bitte drehte er die Szene mit dem Kameramann nach, der mit einer Jacke über dem Kopf Kamera und Stativ aus dem Hornissenschwarm rettet. Damals hatte der Film den Titel „Die Hübners und der Mann mit der Kamera“.

Auf die Frage, was mich zu dem Film „Es geht ein dunkle Wolk herein“ getrieben hat, gibt es drei Antworten: Es war eine schöne Gelegenheit, mich für die 34 Jahre zu bedanken, die ich hier vor Ort im Odenwald gelebt habe. Es war die im besten Sinne experimentelle Kameraarbeit von Oli, die mit Aufnahmen überrascht, die gegen alle Regeln und Konventionen verstoßen. Und es war der Respekt vor dem schönen harten Leben der drei Hübners, deren Hof zu den wenigen Höfen gehört, die noch nicht den Banken gehören. Die Banken müssen immer gewaltigere und zudem kurzlebige Maschinen finanzieren, für die sich die schöne Parklandschaft des Odenwalds mit ihren Streuobstwiesen langsam in eine Agrarwüste verwandelt.

3. Das Schwerpunktthema beim 13. LICHTER Filmfest lautet „Macht“. Welche Machtinstanz / welchen Mächtigen würden Sie sich gerne mal vorknöpfen und warum? 

In all den kulturpolitischen Unternehmungen, an denen ich beteiligt war – die Hamburger Filmmacherkooperative – die wilden Jahre der dffb – die erste regionale und selbstverwaltete Filmförderung in Hamburg etc. – ging es um Selbstverwaltung und Unabhängigkeit von staatlicher und kapitalistischer Macht. So gesehen reiht sich auch die Produktion des Films „Es geht ein dunkle Wolk herein“  außerhalb des Gremienfilm-Systems in diese Grundhaltung ein.

4. Welche Bedeutung hat die Kinoleinwand für Sie?

Ich beobachte seit einiger Zeit, dass in den verbliebenen kleinen Kinosälen auf dem Land, wo in der Regel meist amerikanische Filme laufen, zunehmend eine Art deutsches Wanderkino auftaucht, das – meist im Selbstverleih – von Globetrottern aller Art, Förstern und regionalen Filmmachern produziert und ausgewertet wird. Mit einem Mal werden diese „trostlosen“ Kinos zu Orten, an denen die eigene regionale Kultur verhandelt wird. Dabei werden das Gemeinschaftserlebnis und die Brillanz eines großen Bildes youtube per Smartphone vorgezogen.

5. In wem sehen Sie die Zukunft des deutschen Films? 

Um der unproduktiven deutschen Schrebergarten-Filmkultur ein Ende zu bereiten, wäre es wahrscheinlich am besten, sämtliche Förderungs-Gelder zu streichen. Infolge der digitalen Revolution ist es jetzt möglich, einen Spielfilm ( wie im Iran ) für eine Summe unter fünfzigtausend Euro zu produzieren und damit vielleicht einen Berlinale-Bären zu gewinnen.

6. Mein größter Erfolg war ...

... nicht mit  „eine deutsche Revolution“ im Wettbewerb der Berlinale gewesen zu sein, sondern die Tatsache, dass ich angesichts meiner zersplitterten Filmproduktion und der vielen Filme, in denen ich nur so mit drin stecke, meine kleine Firma cinegrafik nie in die Pleite geschlittert ist.

7. Wenn ich nicht beim Film gelandet wäre, würde ich wahrscheinlich 

... in Frankreich Boule spielen.

8. Meine liebste Filmszene aller Zeiten ist ...

In den „Ferien des Monsieur Hulot“ gibt es eine kleine Szene, in der Jaques Tati sein Boot streicht und der Farbtopf immer in der richtigen Position ist, wenn Tati, ohne hin zu schauen, seinen Pinsel eintaucht -  allen Ereignissen um ihn herum zum Trotz.

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