Ein neues FFG muss frei denkende, kreative Brancheneinsteiger*innen und ihre ersten Filme besonders fördern.


Ausgangssituation:

Brancheneinsteiger*innen - und damit ist Nachwuchs genauso gemeint wie Quereinsteiger*innen - haben es in Deutschland schwer, in ihrem Beruf Fuß zu fassen und ihren Lebensunterhalt damit zu finanzieren. Das Kuratorium junger deutscher Film ist das einzige Instrument auf Bundesebene zur Förderung der ersten und zweiten Filme von Filmemacher*innen nach Abschluss ihrer beruflichen Ausbildung. Der Großteil der sonstigen Förderinstrumente fördert Nachwuchs- und Talent-Filme nach Auftragslage oder in nicht genauer definiertem “angemessenen Umfang”.

Problem:

Brancheneinsteiger*innen erleben von vornherein hohen Konkurrenzdruck durch die grundsätzlich zu geringe finanzielle Ausstattung einer dezidierten Talentfilmförderung im deutschen Fördersystem. Das Gesamtvolumen der deutschen Fördergelder, das 2019 an Talent- oder Nachwuchsfilme vergeben wurde, betrug laut Nachwuchsstudie des Produzentenverbandes gerade einmal 8% des Gesamtförderetats. Für das derzeitige Förderkonzept, das aus strukturellen Gründen kaum ohne Fernsehbeteiligung auskommt, existieren zu wenig TV-Sendeplätze für Talent, künstlerische Innovation und Experiment. Siehe hierzu auch # ACHTUNG SENDER!

Entsprechend niedrige Budgets und langfristig schlechte finanzielle Aussichten führen dazu, dass sich die meisten Filmschaffenden mit hohem künstlerischen Anspruch über zusätzliche Nebenjobs finanzieren müssen und nicht die volle Arbeitskraft in ihre Filmprojekte stecken können.

Vor diesem Hintergrund erscheint es für viele Talente außerdem attraktiver, sich von vornherein auf die Produktion für Streaming-Dienste auszurichten, die bedingt durch ihre strategische Ausrichtung verstärkt (Nachwuchs-) Kreative für die reguläre Content-Produktion anwerben. Entsprechend zielen diese Talente von vornherein auf Massentauglichkeit und betrachten Film weniger als Kultur- denn als Konsumgut. Eine Folge hiervon ist wiederum, dass auch Fachkräfte stärker durch erhöhte Streamer-Produktion gebunden werden und den Kinoproduktionen nicht mehr zur Verfügung stehen. So drohen Talente für das Kino wegzubrechen und Film immer mehr zu Content zu werden, anstatt dass die deutsche Filmkultur durch nachwachsende wie quereinsteigende Talente neu belebt wird.

Gründe:

Erst vermehrte gesellschaftliche und brancheninterne Debatten u.a. zu mangelnder Diversität, Fachkräftemangel und schlechten finanziellen Perspektiven im deutschen Film sowie die Nachwuchs-Studie des Produzentenverbands haben das Thema in den letzten Jahren verstärkt ins Rampenlicht gerückt. Warum erst jetzt? Vielleicht einfach durch mangelnde Vorausschau und grundsätzliche Verkrustung des Systems, das für Veränderung und Innovation wenig offen zu sein scheint? Klar ist jedenfalls: Das ging auf Kosten der # ACHTUNG QUALITÄT!

Lösungsansätze:

Eine grundsätzliche Verankerung eines prozentualen Anteils der deutschen Filmfördergelder für die Förderung von “Talent”. Dabei müssen unter dem Begriff Talent sowohl Nachwuchs als auch Quereinsteiger*innen und sowohl Regisseur*innen als auch Autor*innen und Produktionsfirmen gefasst und gefördert werden. Um diesen Berufseinsteiger*innen eine nachhaltige Verankerung in der Branche zu ermöglichen, müssen mindestens erste bis dritte Filme in dieser Kategorie gefördert werden. Durch verstärkte Förderung nach künstlerischen Kriterien müssen Freiräume für Innovation und Experiment geschaffen werden. Die dezidierte Förderung von Talent könnte flankiert werden durch strukturelle Förderung für Produktionsfirmen künstlerischer Filme sowie eine ausgebaute Entwicklungsförderung wie in der Stellungnahme zur FFG-Novelle des HVC vom 16.04.2022 vorgeschlagen und in der Stellungnahme zur FFG-Novelle des Vorstand des Kuratorium junger deutscher Film gefordert.

 

Für weitere konkrete Vorschläge zu einem Neuanfang im deutschen Film siehe auch:

31.01.2023 Für einen Neuanfang. Die IZK+F stellt ihr Konzept für eine grundlegende Reform der Filmförderung vor

13.04.2022 Stellungnahme des HVC zur FFG-Novelle

26.04.2018 Frankfurter Positionen

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