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DAS ANDERE KINO. TEXTE ZUR ZUKUNFT DES KINOS
Herausgegeben von: Kenneth Hujer, Gregor Maria Schubert und Johanna Süß

In Vorbereitung auf den 2. Kongress ZUKUNFT DEUTSCHER FILM / FORUM EUROPA erschien eine 60-seitige Publikation, die sich der Zukunft des Kinos widmet.
Die von unserem Redakteur Kenneth Hujer betreute Publikation Das andere Kino möchte der Neudeutung des Kinos Raum geben und sie dadurch voranbringen. Ihre Texte und Gespräche versammelt sie bewusst unter einem Titel, der bereits einige Jahrzehnte zurückreicht, genauer: in das Aufbruchs-Jahr 1968. Denn die Zukunft ist nicht nur morgen, sondern war auch bereits gestern. Oder um es mit den Worten Edgar Reitz’ zu sagen: „Häufig findet man Lösungen und Impulse zur Erneuerung in der Vergangenheit, in Gestalt von Versuchen und Projekten, die ihrer Zeit voraus waren.”

Seinerzeit zielte „das andere Kino” auf die etablierten Filmfestivals in Oberhausen und Mannheim, die viele Arbeiten des Filmnachwuchses ins Nebenprogramm verbannten oder gar nicht erst zuließen. „Das andere Kino” wurde von seinem Wortschöpfer Helmut Herbst für den Versuch in Anschlag gebracht, neue Wege der Filmaufführung zu gehen. In einem umfassenderen Sinn möchten wir diese Haltung auch allen Texten unserer Publikation voranstellen: Das Kino als Ort, Geschehen und Haltung soll neu gedacht werden – jenseits seiner eingeschliffenen Formen. Warum das bitter nötig ist, schildert uns eindrücklich Daniela Kloock in ihrem Aufsatz Licht an - Licht aus?.
Einmal mehr Edgar Reitz: „Wenn ein System wie das Kino nach seiner über hundertjährigen Geschichte wieder einmal in der Krise steckt, so kann man das als Gefahr, aber auch als Chance zur Erneuerung verstehen.” Dieses wie auch das vorherige Zitat sind seinem Text Kinotopia entnommen, mit dem wir unsere Publikation eröffnen und dessen optimistischer Sound gleichsam alle weiteren Überlegungen begleiten soll.

Anstatt kulturpessimistisch einen etwaigen Verlust zu beklagen, schauen wir gespannt in die Zukunft des Kinos. Wobei es auch das nicht ganz trifft, wie uns Sebastian Selig in seinem Text Kinobesuche. Eine kleine Phänomenologie nahezu plaudernd offenbart: Es gibt nicht das Kino, sondern Kinos, und folglich auch mehr als eine Möglichkeit, sie neu zu denken. Davon zeugen eindrücklich die hier versammelten Texte. Beispielsweise Daniel Moerseners Plädoyer für ein Non-Stop-Kino oder Simone Arcagnis Text Cinema Futuro, der uns ein Vokabular zur Konzeptualisierung des zukünftigen Kinos an die Hand gibt. Ein solches Konzept (wenngleich mit anderem Vokabular), in diesem Fall für ein Haus der Filmkulturen, wird in dem auszugsweise transkribierten Roundtable-Gespräch zwischen Rüdiger Suchsland, RP Kahl und Gabu Heindl diskutiert.
Ein anderes Gespräch zwischen Niklas Maak und Lars Henrik Gass verbindet das Nachdenken über neue Kinobauten mit Überlegungen zur Stadt der Zukunft. Apropos Kinobauten und Stadt: Das niederländische Architekturbüro UNStudio erklärt in einem Beitrag seinen Kinoentwurf Le Centre Culturel Dédié au 7ème Art, der den Stadtboden auf den Dächern von drei ineinander verschlungenen Baukörpern hätte fortsetzen sollen. Ermöglicht werden sollten dadurch Freiluftkino, Ausblick auf die Pariser Skyline sowie das Zusammenfallen von Film-Produktion und -Rezeption.

Dass es nochmals andere (Kino-)Räume braucht, weil sich manche der gegenwärtigen Bewegtbilder nicht nur von der Leinwand lösen, um durch VR-Brillen als räumliche Umgebungen wahrgenommen zu werden, sondern diese körperlich-produktiv erkundet werden wollen, zeigen Angela Rabing und Franziska Wagner anhand der VR-Installation Carne y Arena.
Anstiftung zur Kontroverse betreibt schließlich Rüdiger Suchsland mit seinen 10 Thesen zur Zukunft des Kinos. Dass der immer wieder proklamierte Tod des Kinos eine Farce ist, weiß Drehli Robnik neben seiner Losung „Warthaus statt Arthouse” unterhaltsam zu entwickeln. Und weil Kino nicht nur ein Ort, sondern wie bereits erwähnt auch ein Geschehen ist, verabschieden wir mit Vinzenz Hediger Hollywood und heißen Lagos und Seoul willkommen.

In Konstellation gebracht ermöglichen die zusammengetragenen Texte hoffentlich ein spannendes Leseerlebnis aus Verflechtungen, Reibungen, Sprüngen und produktivem Eigensinn – auf dass das Kino eine gute Zukunft hat und wir mit ihm.