22.04. ‐ 27.04.2025

DIE ZUKUNFT IM FILM, DIE ZUKUNFT DES KINOS

Ein Text von Kenneth Hujer

Der Film war in seiner Geschichte immer wieder hellseherisches Medium. So sind in Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ Bildtelefone zu sehen, mit denen man jederzeit und von jedem Ort miteinander reden und sich sehen kann. Es gibt den Bordcomputer HAL 9000, der mithilfe künstlicher Intelligenz sprachgesteuert werden kann. Kubricks Film kam 1968 in die Kinos – lange bevor es Smartphones oder Siri gab. Ein Jahr später, 1969, landeten mit der Apollo-11-Mission erstmals Menschen auf dem Mond. Ein Szenario, das Fritz Lang mit seinem Science-Fiction-Stummfilm „Frau im Mond“ bereits Ende der 1920er Jahr bebildert hat – zu einer Zeit, als die Mondlandung noch ein abwegiges Phantasma war, ein hanebüchenes Wolkenkuckucksheim. 

Aber haben Filme wie „Star Trek“, der Ende der 1970er Jahre das automatische Öffnen von Türen zeigte, oder „Star Wars“, wo man zur gleichen Zeit bereits Hologramm-Schach spielte, die späteren realen Erfindungen vorausgesagt oder diese mit ihren Einfällen vielmehr inspiriert? Nicht zu vergessen: In Steven Spielbergs „Minority Report“ konnte man Computer mit Gesten steuern, fuhren die Autos von allein, gab es das, was wir heute Virtual Reality nennen. Zum Erscheinen des Films, 2002, war auch das noch fern der Wirklichkeit. 

Bei einem Film von 1989 ist der Einfluss auf die Zukunft offenkundig, ein kompromittiert-konsumistischer gleichwohl: „Zurück in die Zukunft. Teil 2“. Am 21. Oktober 2015, dem Tag, von dem der Film erzählt, haben zahlreiche Firmen die ihnen prophezeiten Produkte herausgebracht. Die im Film gezeigte Erfindung fliegender Skateboards lässt hingegen noch immer auf sich warten. 

Die Kommunikationsmittel entwickeln sich rasant wie auch die Fortbewegungsmittel. Was sich nicht entwickelt, sind die Formen der Unterhaltung wie der Bewegung. Die Bild-zu-Bild-Übertragung ermöglicht noch mehr Gerede, die Schuhe wiederum ziehen sich von selbst an, aber die Wege, die mit ihnen beschritten werden, bleiben die gleichen eingeschliffenen Pfade. Das Kino kann uns daran schmerzhaft erinnern: Es zeigt uns, dass der Traum vom Fliegen auch darin bestand, frei wie ein Vogel zu sein. Fliegen können wir – bis zum Mond. Aber wie frei sind wir? 

Das Kino zeigt uns aber keineswegs nur die Zukunft der Technik. Neal Israels US-Komödie „1998 – Die vier Milliarden Dollar Show“ von 1979 sagte den Zusammenbruch der Sowjetunion genauso voraus wie den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas. 

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„DAS KINO IST EINE ERFINDUNG OHNE ZUKUNFT” - Frei nach Louis Lumière, der gemeinsam mit seinem Bruder Auguste das Kino erfand

Das Kino widmet sich der Zukunft und das seit nunmehr 125 Jahren, obzwar man einem seiner Erfinder, Louis Lumière, die Worte in den Mund gelegt hat, das Kino sei eine Erfindung ohne Zukunft: „Le cinéma est une invention sans avenir“. Folglich sind auch die falschen Prognosen ein essentieller Teil der Kinogeschichte. Nicht selten irren die Science-Fiction-Filme des Kinos, werden gegenwärtige Ängste schlicht als Zukunft verkleidet. Mit Filmen in die Zukunft schauen heißt also zugleich, unsere Gegenwart sehen zu können – vielleicht braucht es sogar den Fernblick, um die nahe Gegenwart in den Blick zu bekommen.

Dass der Film so oft das Katastrophische herbeisehnt, sich in dystopischen Weltuntergangsszenarien verliert, die im letzten Moment abgewendet werden oder schlussendlich eintreten, bezeugt nicht zuletzt seine therapeutischen Qualitäten. Sich den eigenen Ängsten auszusetzen, dabei die eigene Endlichkeit abstrakt durchzuspielen, kann als eine Art cineastische Verhaltenstherapie verstanden werden. Das Kino ist also auch ein Trainingslager für die Zukunft. 

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Das LICHTER Filmfest stellt in seinem internationalen Filmprogramm etwa 20 Positionen des aktuellen Weltkinos zum Thema Zukunft zueinander in Beziehung. 

Neben der Zukunft im Kino gibt es auch eine Zukunft des Kinos. Wohin wird sich das Kino entwickeln, welche architektonischen Formen wird es annehmen, was wird es beherbergen, wo und wie wird es städtebaulich eingebunden sein?

Im Rahmen der 2022 erschienenen Publikation „Das Andere Kino”, hat LICHTER Filmkultur vielseitige Aufsätze versammelt, die sich der Zukunft des Kinos widmen. Seither sind auf den zurückliegenden Kongressen mehrere Panels veranstaltet worden, die sich mit Zukunftsfragen des Kinos beschäftigen – architektonischen, programmatischen sowie gesellschaftspolitischen Fragen. Auf dem vergangenen Kongress ist zudem eine neue Kinobewegung begründet worden – von ganz verschiedenen Akteuren, die allesamt zukunftsweisende Kinoprojekte in Deutschland vorantreiben. 

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Nach der Zukunft des Kinos und des Films soll auch auf dem 4. Kongress ZUKUNFT DEUTSCHER FILM gefragt werden – diesmal im Kontext europäischer Ideen und Projekte. 

Damit nicht genug: Die Zukunft des Films und des Kinos beinhaltet auch Fragen nach den Erzählformen und Materialitäten des Films. Mit seinen Sektionen „VR Storytelling Award” und „LICHTER Art Award” erprobt das LICHTER Filmfest neue Erzählweise und Darstellungsformen virtueller und erweiterter Realität mit und jenseits der Leinwand.

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