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THEORY OF CINEMA

Herausgegeben von: Gregor Maria Schubert, Johanna Süß und Kenneth Hujer


Über die Zukunft des Kinos zu reden heißt auch, über seine Räume zu reden, seine Architektur und über die vielen Details abseits der Leinwand. Viel zu lange schon wird die öffentliche Debatte darauf begrenzt, dass Kino ein wundervolles Gemeinschaftserlebnis sei. Dabei gibt es viele gute Gründe, die für die Faszination des Kinos sprechen. Dass Kinofilme als höchste Form schöpferischer Kreativität ins Kino gehören, ist unstrittig. Dennoch geriet das Kino als ästhetischer Erfahrungsraum in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Verruf. Das goldene Zeitalter der Kinoarchitektur lässt sich auf die 1920er- und -30er Jahre datieren. Die Kinoarchitektur der Nachkriegszeit vermochte es zwar, an diese glorreiche Zeit anzuknüpfen, aber spätestens mit dem Aufkommen der Multiplex-Kinos in den 1980er Jahren war es um ein Raumerlebnis geschehen. Anstelle anspruchsvoller Architektur traten zumeist schnöde Zweckbauten. Der herausragende Bestand hingegen – das Vermächtnis der frühen Kinoarchitektur schien nicht erhaltenswert und fiel der Abrissbirne zum Opfer.


Nicht erst seit der Antike wissen wir: Kulturbauten sind die Seele einer Stadt. Sie strahlen das Selbstverständnis und den Stolz einer Gesellschaft aus. Kulturbauten ermöglichen ein Zusammenwirken von Architektur, Politik und Öffentlichkeit, sie bündeln eine gemeinsame Anstrengung. Eine Stadt wird gleichsam erst durch Kunst und Kultur zur Stadt. Kaum auszudenken: Paris ohne das Palais du Louvre, das Centre Pompidou, den Eiffelturm! Politische Entscheidungen zur kulturellen Infrastruktur sind verantwortungsvolle Aufgaben der Städte, weil sie das Lebensumfeld aller Bürgerinnen und Bürger betreffen. Die Baukultur prägt vielerorts das Stadtbild und das kulturelle Klima. Die Gestaltung der kulturellen Infrastruktur ist aber nicht ausschließlich Aufgabe der Politik. Sowohl zivilgesellschaftliche Strukturen, die freie Kulturszene als auch die Kulturwirtschaft leisten dazu in der Regel wichtige Beiträge.

Was müssen Kulturbauten wie Kinos in Zukunft leisten? Wie können sie für die ganze Gesellschaft geöffnet werden?

Uns hat interessiert, welche Kinos seit dem Jahr 2000 konzipiert und eröffnet wurden, in Europa, aber auch auf anderen Kontinenten. Gefunden haben wir neun Beispiele für eine außergewöhnliche Fassaden- und Raumgestaltung. Zudem führen wir drei weitere Kinoprojekte an, die in naher Zukunft gebaut werden sollen.


Vollständigkeit ist nicht das Ziel unserer Broschüre, ansonsten hätten wir beispielsweise auch das den meisten bekannte wie imposante EYE Filmmuseum in Amsterdam aufgeführt. Vielmehr folgt die Zusammenstellung persönlichen Vorlieben und dem Vorbild guter Mixtapes. Wie Sie sehen werden, kommt unsere Broschüre dabei mit sehr wenig Text aus. Neben einigen Gebäudedaten und kurzen Beschreibungen stehen die Bilder im Mittelpunkt. „Theory of Cinema“ als Titel mag deshalb verwundern. Neben der versteckten Anspielung auf den Kinogänger Siegfried Kracauer verknüpft der altgriechische Begriff „theoria“ Erkenntnis mit Anschauung und Betrachtung. Zur Erkenntnis, wie die Zukunft des Kinos aussehen kann, möchten wir inspirieren – mit Anschauungsmaterial, das es zu betrachten gilt.


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